Beschreibung
Digitale Kompetenzen sind zentrale Schlüsselkompetenzen für das lebenslange Lernen sowie für die Bewältigung aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen in allen lebensweltlichen Bereichen (EU Commission, 2018). Die Vermittlung digitaler Kompetenzen ist auch für Sonderschulen verbindlich (D-EDK, 2021). Bildungseinrichtungen sind somit dazu angehalten, ihren Lernenden Teilhabe in, an und durch digitale(n) Medien zu ermöglichen (vgl. Borgstedt & Möller-Slawinski, 2020; Zorn et al., 2019; GMK, 2018), wodurch ihre gesamtgesellschaftliche Teilhabe verbessert werden kann (UN-BRK). Vergleicht man jedoch die freizeitliche Mediennutzung von Oberstufenschülerinnen in Regelschulen (vgl. Külling et al., 2022; Bernath et al., 2020) mit jener von Oberstufenschülerinnen in Sonderschulen (Hättich, 2019), fällt auf, dass sich hierbei grosse Unterschiede zeigen: Jugendliche in Sonderschulen haben in ihrer Freizeit beispielsweise seltener Zugang zu einem eigenen Handy und nutzen Soziale Medien deutlich weniger. Leben Jugendliche in einem Wohnheim respektive Internat, sind ihre Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten stärker eingeschränkt (vgl. Kochskämper et al., 2020; Steiner et al, 2017). Jugendliche mit Lernschwierigkeiten in Wohneinrichtungen, sind am stärksten gefährdet, digitalen Ausschluss zu erfahren (Steiner et al., 2017).
Im Dissertationsprojekt wird deswegen auf verschiedenen Ebenen untersucht, wie diese digitale Teilhabe im Kontext von Wohneinrichtungen mit Sonderschulen einerseits von der jeweiligen Einrichtung initiiert und andererseits von den Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten kollektiv als auch individuell erlebt wird. Zur Beschreibung der institutionellen Ebene werden Dokumente der Einrichtung und Besuchsprotokolle berücksichtigt. Um die kollektive Ebene der Jugendlichen in der Wohneinrichtung zu beleuchten, dokumentieren die Jugendlichen ihre digitale Mediennutzung in der Freizeit – angelehnt an ein Photovoice Verfahren (Wihofszky et al., 2020) – und besprechen in Kleingruppen ihre Teilhabemöglichkeiten. Zudem bestimmen die Jugendlichen, die für sie relevanten Aspekte digitaler Teilhabe, die sie in einem Interview vertiefen möchten. Mit den Interviews wird die digitale Teilhabe auf individueller Ebene erfasst.
Im Zentrum der Studie steht die Perspektive der Jugendlichen „als Expert:innen ihrer (digitalen) Lebenswelt“ (Geuting & Keeley, 2023, S. 98). Ausgewertet werden die Dokumente, Protokolle und Gespräche mittels der Grounded Theory Methodologie nach Strauss und Corbin (1996), ergänzt um Elemente der Situationsanalyse nach Clarke (2012).
Im Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse hinsichtlich der digitalen Teilhabe der Jugendlichen entlang der institutionellen sowie der kollektiven Ebenen präsentiert und zur Diskussion gestellt.
Literatur
Bernath, J., Suter, L., Waller, G., Külling, C., Willemse, I. & Süss, D. (2020). JAMES. Jugend, Aktivität, Medien – Erhebung Schweiz. Ergebnisbericht zur JAMES-Studie 2020. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Borgstedt, S. & Möller-Slawinski, H. (2020). SINUS Digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Trendstudie. Aktion Mensch e.V.
Clarke, A. E. (2012). Situationsanalyse. Grounded Theory nach dem Postmodern Turn. Springer.
Deutsche Erziehungsdirektoren-Konferenz (D-EDK) (2021). Lehrplan 21. https://www.lehrplan21.ch
European Commission (2018). Communication from the Commission to the European Parliament, the Council, the European Economic and Social Committee and the Committee of the Regions on the Digital Education Action Plan (COM(2018) 22 final). https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=COM%3A2018%3A22%3AFIN
Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) (2018). Medienbildung für alle: Medienbildung inklusiv gestalten! Positionspapier der Fachgruppe Inklusive Medienbildung der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. (GMK).
Geuting, J. & Keeley, C. (2023). Chancen und Herausforderungen digitaler Bildung für Schüler:innen mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. In D. Frenecik-Lehmkuhl et al. (Hrsg.), Inklusion digital! Chancen und Herausforderungen inklusiver Bildung im Kontext von Digitalisierung (S. 94-110). Julius Klinkhardt.
Hättich, A. (2019). MUSE: Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen in Sonderschulen. Eine landesteilspezifische Analyse. Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik.
Kochskämpfer, D., Rusack, T., Weßel, A. & Ehlke, C. (2020). Digitalisierung in Heimen und Internaten – Stand der Forschung. Universitätsverlag.
Külling, C., Waller, G., Suter, L., Willemse, I., Bernath, J., Skirgaila, P., Streule, P., & Süss, D. (2022).
JAMES – Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Steiner, O., Heeg, R., Schmid, M. & Luginbühl, M. (2017). MEKiS–Studie zur Medienkompetenz in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe. Hochschule für Soziale Arbeit, FHNW.
Strauss, A. L. & Corbin, J. (1996). Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Psychologie Verlag Union.
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Behindertenrechtskonvention, UN-BRK), vom 13. Dezember 2006, durch die Schweiz ratifiziert am 15. April 2014, in Kraft seit dem 15. Mai 2014, SR. 0.109.
Wihofszky, P., Hartung, S., Allweiss, G., Bradna, M., Brandes, S., Gebhardt, B. & Layh, S. (2020). Photovoice als partizipative Methode: Wirkungen auf individueller, gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene. In S. Hartung, P. Wihofszky & M. Wright (Hrsg.), Partizipative Forschung. Ein Forschungsansatz für Gesundheit und seine Methoden (S. 85-142). Springer.
Zorn, I., Schluchter, J.-R. & Bosse, I. (2019). Theoretische Grundlagen inklusiver Medienbildung. In I. Bosse, J.-R. Schluchter & I. Zorn (Hrsg.), Handbuch Inklusion und Medienbildung (S. 16-33). Springer.
Angaben Betreuung
Das Dissertationsprojekt wird von Prof. em. Dr. Ingeborg Hedderich (Universität Zürich) und Prof. Dr. Theo Hug (Universität Innsbruck) betreut.
Kurz-Vita Doktorandin
Federica Hofer ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Institut für Diversität und inklusive Bildung an der Pädagogischen Hochschule Luzern tätig. Sie promoviert in Erziehungswissenschaft an der Universität Zürich. Bis zur Emeritierung ihrer Doktormutter war Federica wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Sonderpädagogik der Universität Zürich. Sie hat Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Sonderpädagogik im Master studiert, davor war sie als Grundschullehrerin tätig.
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