19.–20. Sept. 2024
Universität Wien
Europe/Vienna Zeitzone
Das Programm ist online - die Anmeldung ist möglich.

Kurzvortrag Ges. 3 (SE 7): Lernort TikTok - wie können wir stark Algorithmus-basierte Medien empirisch erfassen?

Nicht eingeplant
5m
Institut für Bildungswissenschaft (Universität Wien)

Institut für Bildungswissenschaft

Universität Wien

Sensengasse 3a 1090 Wien
5/0 - Kurzvortrag mit Poster

Sprecher

Lisanne Heilmann (Universität Bremen)

Beschreibung

Einleitung
Das soziale Medium TikTok nimmt aktuell an Bedeutung zu: gesellschaftlich, politisch und als Forschungsgegenstand. Während die Plattform zunächst als App genutzt wurde, auf der Jugendliche sich beim Tanzen filmen, kann sie inzwischen als ein zunehmend bedeutender Ort, an dem gesellschaftliche und politische Debatten stattfinden, gesehen werden (vgl. Kneuer 2017). In diesen Debatten findet nicht nur politische Meinungsbildung, sondern wie auch in anderen sozialen Medien allgemein eine Vielzahl von Möglichkeiten für informelles Lernen, Wissensaneignung und Austausch statt (Kerres et al., 2017; Zeng 2023).

Theoretische Einbettung
Es zeigte sich in den vergangenen Jahren deutlich, dass neben einer großen Zahl von Fehl- und Desinformationen insbesondere rechte Strömungen und Vertreter*innen antifeministischer und rassistischer Diskurse sehr präsent die Plattform nutzen (Lim & Guerra 2023). Ebenso zeigen sich jedoch auch deutliche Gegenbewegungen (Heilmann 2024), wie beispielsweise das im Frühjahr 2024 unter dem Tag #ReclaimTikTok stattfindende Bemühen der demokratischen Parteien, ebenfalls auf TikTok sichtbar aufzutreten. In diesem Bemühen zeigt sich, dass auch auf politischer Ebene der Plattform eine gewisse Relevanz für das politische Lernen und die Entwicklung und Meinungen und Haltungen zugesprochen wird.
Erste Erhebungen weisen darauf hin, dass die Plattform von jüngeren Menschen auch genutzt wird, um aktiv nach Informationen, Erklärungen oder Kontextualisierungen zu Informationen zu suchen (Matsa 2023) – eine Funktion die in den vergangenen Jahren größtenteils der Wikipedia und dem Konzern Google vorbehalten waren. Insbesondere im Kontext der Corona-Pandemie zeigte sich ein starker Zulauf zur Plattform und ein damit einhergehendes wissenschaftliches Interesse an der Plattform, weshalb sich insbesondere zur Frage der Verlässlichkeit und Verständlichkeit von gesundheitsbezogenen Informationen auf TikTok früh erste Forschungsergebnisse zeigten (Zen et al. 2021).

TikTok unterscheidet sich von anderen sozialen Medien wie Instagram oder Twitter insbesondere dadurch, dass es sich um eine stark algorithmisierte Struktur handelt, die maßgeblich durch das tatsächliche Konsumverhalten gelenkt wird (Zen et al. 2021). Dies führt dazu, dass auch themenübergreifend Gruppen und Communities in Austausch miteinander kommen, die sonst eher wenig offensichtliche Berührungspunkte miteinander teilen jedoch häufig von den Personen mit ähnlichen Konsummustern frequentiert werden (vgl. Jeresa & Boffone 2021; Kaiser 2023). Es scheint kaum möglich, einen Zugang zu dem Geschehen auf TikTok zu erhalten, der nicht unmittelbar und in noch stärkerem Maße als ohnehin durch die Biases der forschenden geprägt sind. Dies stellt uns vor die Herausforderung zu prüfen, in welcher Weise eine wissenschaftliche Beobachtung sinnvoll und möglich ist und welche Potentiale sich darüber hinaus eröffnen.

Herausforderungen für die Forschung
Durch die stark auf dem Algorithmus basierende Struktur, stellt sich die Frage, wie diese sich abbilden lässt und ob ein Zugang hier über eine Schlagwort-Suche oder eigene ‚Feld‘-Versuche möglich ist und valide Ergebnisse liefert. Der hier vorgestellte Beitrag soll die Ergebnisse aus einem strukturierten Literature Review berichten, in dem ein Blick auf die bisherigen Publikationen geworden wird, die sich empirisch mit TikTok auseinander setzen. So soll erfasst werden, wie ‚die Forschungscommunity‘ auf die neuen Gegebenheiten reagiert und ob sich bereits eine Form des Konsens oder einer Mehrheitsmeinung zu bestimmten Herangehensweisen abzeichnet. Darüber hinaus sollen auch offene Fragen und Grenzen kritisch betrachtet werden.
Hierzu wird zentral die Frage gestellt, wie Wissenschaftler*innen sich in den vergangenen anderthalb Jahren empirische Zugänge zu Diskursen auf TikTok erhalten haben. Besondere Schwerpunkte liegen auf dem Sampling, der Frage wie der Auswirkung des Algorithmus Rechnung getragen wurde und wie mit Biases und Einflüssen der Forschenden umgegangen wurde.

Methodisches Vorgehen
Um diese Frage zu beantworten, wird zunächst auf drei Plattformen unter dem Stichwort ‚TikTok‘ nach wissenschaftlichen Publikationen gesucht. Um möglichst aktuelle Publikationen zu finden, die das aktuelle wissenschaftliche Interesse sowie die gesellschaftliche Relevanz der Plattform abdecken, werden ausschließlich Publikationen aus den Jahren 2023 und 2024 aufgenommen. Ohnehin stammt ein Großteil der Publikationen auf jeder der untersuchten Plattformen aus diesen beiden Jahren. Als Ausgangspunkt der Suche werden das Fachportal Pädagogik, die Springer Link-Datenbank sowie die Literaturdatenbank der Universität Bremen verwendet. Um in das Literature Review aufgenommen zu werden, mussten die Publikation zudem die folgenden Kriterien erfüllen:
1) Sie muss Open Access zur Verfügung stehen.
2) Es muss sich um eine geistes- oder sozialwissenschaftliche Untersuchung handeln.
3) Es muss sich um eine empirische Publikation handeln, die sich auf den Gegenstand TikTok richtet.
4) Sie muss in den Sprachen Deutsch oder Englisch publiziert sein.

Ausblick
Das oben beschriebene Vorgehen soll einen Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Umgang mit der Plattform TikTok geben und Grundlage liefern, um für die Zukunft methodische Zugänge zu digitalen Orten zu entwickeln, die stark durch Algorithmen strukturiert sind.

Literaturverzeichnis
Heilmann, Lisanne (2024, in print). Politisches Lernen auf TikTok - Aushandlung von Diversität in digitalen Räumen. Hessische Blätter.
Jeresa, Sarah & Boffone, Trevor (2021). BookTok 101: TikTok, Digital Literacies, and Out-of-School Reading Practices. In: Journal of Adolescent & Adult Literacy 65(3), S. 219-226. https://doi.org/0.1002/jaal.1199
Kaiser, Forrest J. (2023). #TeacherQuitTok: A content analysis of how current and former teachers navigate attrition on TikTok. In School Leadership Review, 17(2).
Kerres, M., Hölterhof, T. & Rehm, M. (2017). Lebenslanges Lernen im Kontext sozialer Medien: Chancen für formelles und informelles Lernen. In D. Münk & M. Walter (Hrsg.),Lebenslanges Lernen im sozialstrukturellen Wandel (S. 141–170). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14355-8_8
Kneuer, Marianne (2017). Politische Kommunikation und digitale Medien in der Demokratie. In: Harald Gapski, Monika Oberle und Walter Staufer (Hrsg.). Medienkompetenz. Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, S. 43-52.
Lim, Young Joon & Guerra, Lynse Larance (2023). The Dangerous but Efficacious Potency of the Social Medie Behemoth TikTok on U.S. Politics with Gen Z: Conceptualizing Mis-, Disinformation and Propaganda on TikTok. In: Pérez Rastrilla, L.; Sapag M., P.; Recio García, A. (Hrsg.) Fast Politics. The Language of Politics. Springer, Singapore. https://doi.org/10.1007/978-981-99-5110-9_5
Matsa, Katerina Eva (2023). More Americans are getting news on TikTok, bucking the trend seen on most other social media sites. Pew Research Center. https://www.pewresearch.org/short-reads/2023/11/15/more-americans-are-getting-news-on-tiktok-bucking-the-trend-seen-on-most-other-social-media-sites/
Zen, Jing; Schäfer, Mike S.; Allgaier, Joachim (2021). Reposting „Till Albert Einstein Is TikTok Famous“: The Memnetic Construction of Science on TikTok. In: International Journal of Communication, 15, S. 3216-3247.
Zeng, Jing (2023). #LearnOnTikTok Serendipitously, #LearnOnTikTok Seriously. In: JCMS Journal of Cinema and Media Studies. https://doi.org/10.1353/cj.2023.a904634

Poster Nein

Hauptautor

Lisanne Heilmann (Universität Bremen)

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