19.–20. Sept. 2024
Universität Wien
Europe/Vienna Zeitzone
Das Programm ist online - die Anmeldung ist möglich.

Gesellschaft 1 (HS1): Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Herausforderungen für die demokratische Gesellschaft und Anforderungen an die politische Medienbildung

Nicht eingeplant
1 h 30m
Institut für Bildungswissenschaft (Universität Wien)

Institut für Bildungswissenschaft

Universität Wien

Sensengasse 3a 1090 Wien
6 - Symposium vor Ort oder Online

Sprecher

Benjamin Möbus (Universität Vechta) Christian Noll (Universität zu Köln)Prof. Franco Rau (Universität Vechta)Prof. Franziska Bellinger (Universität zu Köln) Katrin Hünemörder (mediale pfade) Melina Honegg (GMK) Michael Otten (Universität Vechta) Michaela Kramer (Universität zu Köln)Prof. Valentin Dander (Hochschule Clara Hoffbauer Potsdam)

Beschreibung

Chairs: Jun.-Prof. Dr. Michaela Kramer und Jun.-Prof. Dr. Franziska Bellinger (Universität zu Köln)

Critical Comment: Katrin Hünemörder (mediale pfade – Verein für Medienbildung e.V.)

Spätestens seit dem Potsdamer Treffen im November 2023, an dem nicht nur Szenemitglieder der Neuen Rechten wie Akteur:innen der Identitären Bewegung und hochrangige AfD-Politiker:innen teilnahmen, sondern auch solche, die sich selbst als bürgerlich und rechtskonservativ verorten, ist das Phänomen Rechtsextremismus und seine Unvereinbarkeit mit der Demokratie im öffentlichen Diskurs präsent(er). Empirische Studien zeichnen ein klares Bild: „Radikalisierung ist kein Problem der jeweils anderen, wie der ohnehin Rechtsextremen, der Jungen, der weniger Gebildeten, der Abgehängten, der prekären Schicht, sondern der Mitte der Gesellschaft“ (Küpper et al. 2023, S. 131). Auch in theoretisch angelegten Analysen besteht Einigkeit darüber, dass antidemokratische Gegenbewegungen in jüngerer Zeit an Bedeutung gewonnen haben und eine intensive Auseinandersetzung in Wissenschaft, Öffentlichkeit und politischer Bildung unerlässlich ist (Birsl und Virchow 2022, 46-47).

Für eine politische Medienbildung stellen sich mit Blick auf die Forschung und Bildungspraxis vielfältige Fragen, die eine Auseinandersetzung mit den Zielen und der Ideologie der Neuen Rechten, eine Dekonstruktion digitaler Desinformationsstrategien oder instrumentell eingesetzten Hasses im Netz sowie Aspekte gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, etwa in Form des Antifeminismus auf Tiktok, erfordern. Diese exemplarischen Facetten stehen stellvertretend für die zahlreichen Herausforderungen für demokratische Prozesse in unserer Zeit. Sie sind eng mit Mediatisierungsprozessen und den Bedingungen der Digitalität verbunden. So finden rechtsideologische und antifeministische Diskurse, Desinformation oder populistische Protestpraktiken (Schenk 2024) online statt und werden algorithmisch, gemeinschaftlich und referenziell präformiert (Stalder 2021). Gleichzeitig bieten digitale Technologien auch Partizipationsmöglichkeiten und Potenzial für eine Aushandlung demokratischer Werte.

An diese Diskurslinien anknüpfend widmet sich das Symposium der übergeordneten Frage: "Welchen Beitrag muss und kann Medienpädagogik (verstanden als wissenschaftliche Disziplin und zugleich als Praxisfeld) zur Demokratiebildung leisten?" Zwei Überblicksbeiträge geben zunächst Einblicke in die Ziele und Strategien des digitalen Rechtsextremismus. Anschließend konzentrieren sich zwei weitere Vorträge auf konkrete Phänomene, die Herausforderungen und Anlässe für eine politische Medienbildung bieten.

  • Der erste Vortrag stellt die Neue Rechte als lose organisierte, aber ideologisch stringente Bewegung vor, die versucht, spezifische menschenfeindliche Ideologien im öffentlichen Diskurs zu etablieren. Die Identitäre Bewegung, Ein Prozent und die AfD tragen aktiv dazu bei. Der Vortrag zeigt Bestrebungen kultureller Hegemonie solcher rechtsextremistischer Akteur:innen im digitalen Raum auf.
  • Der zweite Vortrag untersucht, wie rechtsextreme Akteur:innen digitale Spiele gezielt für Propaganda instrumentalisieren. Am Beispiel des Computerspiels ‚Heimat Defender: Rebellion‘ wird gezeigt, wie bekannte Feindbilder der Neuen Rechten im Spiel konstruiert und entmenschlicht werden. Der Vortrag dient als Grundlage für die Diskussion, wie eine demokratische Medienbildung die kritische Auseinandersetzung mit rechtsextremen Feindbildern in digitalen Spielen unterstützen kann.
  • Der dritte Vortrag beleuchtet die Rolle der Social-Media-Plattform TikTok bei der Verbreitung antifeministischer Ideologien. Das Projekt "Unlearning Antifeminism on TikTok" untersucht diese Entwicklung genauer und erarbeitet präventive Bildungsangebote, um Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Handlungsfähigkeit gegenüber antifeministischen Inhalten zu stärken.
  • Im vierten Vortrag wird gefragt, auf welche Weise das Diskurs- und Forschungsfeld zu „Hass im Netz“ politisch strukturiert ist. Er bezieht sich auf repräsentative Studiendaten der Wahrnehmung von Hass im Netz durch Menschen in Deutschland ab 16 Jahren (Ickstadt und Bernhard 2024). Anhand der Daten und der Rezeption der Studie werden Spannungsfelder und Widersprüche in (neu)rechten Argumentationsmustern identifiziert.

Nach einer kurzen Murmelphase, in der die Zuhörer:innen miteinander zu den Inhalten des Symposiums ins Gespräch kommen, schließt ein critical comment an und eröffnet die Diskussion im Plenum. Den comment wird eine Expertin mit langjähriger Erfahrung im pädagogischen Praxisfeld der politischen Medienbildung formulieren.

Literatur
Birsl, U. & Virchow, F. (2022). Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus, Rechtspopulismus, ‚Neue Rechte‘…? Annäherung an ein vielschichtiges Phänomen. In M. Köttig, N. Meyer, J. Bach, C. Castein und M. Schäfer (Hrsg.). Soziale Arbeit und Rechtsextremismus. 45-62. Opladen: Budrich.
Ickstadt, L., & Bernhard, L. (2024). Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung (Das NETTZ, Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), Neue deutsche Medienmacher*innen, & HateAid (Hrsg.). https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/lauter-hass-leiser-rueckzug/
Küpper, B., Sandal-Önal, E. & Zick, A. (2023). Demokratiegefährdende Radikalisierung in der Mitte. In Zick, A., Küpper, B. & Mokros, N. (Hrsg.). Die distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23. Hrsg. von der Friedrich-Ebert-Stiftung. 91-135. Bonn: Dietz.
Schenk, S. (2024): Populismus und Protest. Demokratische Öffentlichkeiten und Medienbildung in Zeiten von Rechtsextremismus und Digitalisierung. Opladen: Budrich.
Stalder, F. (2021). Kultur der Digitalität (5. Auflage). Berlin: Suhrkamp.

Vortrag 1: „Lufthoheit über die Köpfe und Herzen der Menschen“ - Bestrebungen kultureller Hegemonie der Neuen Rechten im digitalen Raum

Michael Otten und Franco Rau (Universität Vechta)

Anknüpfend an das Projekt „Zukunftsdiskurse zur Dekonstruktion digitaler Desinformations-strategien – Phänomene des Rechtsextremismus“ (Schulte et al., im Druck) bietet dieser Beitrag einen einführenden Überblick über die Ideologien und medialen Strategien der Akteur:innen der Neuen Rechten. Der Vortrag beleuchtet die Bestrebungen der Identitären Bewegung (IB), im digitalen Raum kulturelle Hegemonie zu erlangen:

„Wir agieren auf dem kulturpolitischen Feld und setzen Begriffe und
inhaltliche Botschaften (...). Wir glauben, dass politische
Veränderung nicht nur in den Parlamenten (...) möglich ist, sondern
sich ebenso im Kulturbetrieb, den öffentlichen Debatten, den Medien
und auf der Straße abspielt. Alle Metapolitik ist ganz wesentlich eine
Arbeit mit Begriffen und Bildern. Ihr Ziel ist es, die kulturelle
Hegemonie, welche die Grundüberzeugungen und Grundstimmungen in der
Gesellschaft formt, zu beeinflussen. (...) Wer diese Bereiche
dominiert, besitzt die Lufthoheit über die Köpfe und Herzen der
Menschen“ (Identitäre Bewegung 2017).

Anknüpfend an das Zitat zeigt der Vortrag auf, wie die IB ihre Ideologie durch mediale Strategien verbreitet und den digitalen Raum politisiert (Gläser und Kater 2023, 219). Ziel ist es, eine Meinungsführerschaft eigener Positionen in der „Mitte“ der Gesellschaft zu erreichen: Mittels der kulturellen Hegemonie wird das Ziel verfolgt, ein modernes nationales Werte- und Moralsystem durchzusetzen (Buchna 2018, 39). Es geht darum, neue Anhänger:innen zu rekrutieren und auf die politische Willensbildung einzuwirken: Angriffe auf Menschen, die dem eigenen Feindbild entsprechen, die Einführung von Narrativen sowie Desinformation sind zentrale Elemente (Ahlborn & Verständig 2024, Rau 2024). Der Beitrag bietet Bezugspunkte für die folgenden Vorträge und verweist auf erste Implikationen für eine politische Medienbildung.

Literatur:
Ahlborn, J. & Verständig, D. (2024). Programmierter Protest? Ausdrucksformen des Widerstands im digitalen Zeitalter. In Schenk, S. (Hrsg.). Populismus und Protest. Demokratische Öffentlichkeiten und Medienbildung in Zeiten von Rechtsextremismus und Digitalisierung. 175-200. Opladen: Budrich. doi: 10.3224/84743033.
Buchna, J. (2018). Organisationale Deutungsmuster im Kontext Schule, Migration und Rassismus. Eine Fallstudie im qualitativen Längsschnitt. Wiesbaden: Springer VS.
Gläser, G. & Kater, A. (2023). Identitäre Bildungsstrategie? Identitäre Bewegung und „Neue Rechte“ zwischen strategischer und pädagogischer Gramsci-Adaption. In do Mar Castro Varela, M., Khakpour, N. & Niggemann, J. (Hrsg.). Hegemonie bilden. Pädagogische Anschlüsse an Antonio Gramsci. 209-219. Weinheim: Beltz Juventa.
Identitäre Bewegung (2017). Metapolitik: die Reconquista geht weiter. URL: https://www.identitaere-bewegung.de/neuigkeiten/metapolitik-die-reconquista-geht-weiter/.
Rau, J. (2024). Das Internet als rechtsextreme Erfolgsgeschichte? Bonn: bpb. https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/544565/das-internet-als-rechtsextreme-erfolgsgeschichte/.
Schulte, J., Mudder, L. & Rau, F. (im Druck) Digitale Desinformation und Rechtsextremismus. Eine Analyse aktueller Diskursthemen in deutschsprachigen Zeitschriften. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 59 (Desinformation von Rechts*)

Vortrag 2: Rechtsextreme Desinformation und Propaganda in digitalen Spielen. Impulse für eine politische Medienbildung

Benjamin Möbus und Franco Rau (Universität Vechta)

Die Auseinandersetzung mit digitalen Spielen im Kontext erziehungswissenschaftlicher Diskussionen zu Desinformationsstrategien und Ideologien der Neuen Rechten erfolgt bislang nur ansatzweise (Schulte et al., im Druck). Angesichts der zunehmenden Popularität digitaler Spiele unter jungen Menschen (MPFS 2023) überrascht es nicht, dass rechtsextreme Akteur:innen diese Plattformen verstärkt für Propaganda und Desinformation nutzen (Möbus 2023; Schlegel 2023). Ein Beispiel hierfür ist das Computerspiel ‚Heimat Defender: Rebellion‘. Der Beitrag diskutiert wie Feindbilder durch (Level-)Endgegner:innen konstruiert werden und welche Ideologien darin zum Ausdruck kommen (Möbus 2024). Es wird u.a. gezeigt, dass bekannte Feindbilder der IB wie Jan Böhmermann oder George Soros im Spiel gezielt entmenschlicht und verhöhnt sowie ihre gesellschaftlichen Funktionen gezielt desavouiert werden. Zudem legen ihre Verbindungen innerhalb des Spiels nahe, dass das Narrativ popularisiert werden soll, politische, kulturell-mediale und finanzökonomische Eliten agierten gemeinsam gegen die (vermeintlich) homogenen Interessen der (vermeintlich) homogenen deutschen Bevölkerung (Möbus 2024). Ziel des Vortrags ist es, interdisziplinäre Zugänge für die medienpädagogische Diskussion zu schaffen, indem der Feindbildbegriff der Rechtsextremismusforschung (Pfahl-Traughber 2005) und die methodischen Ansätze der Game Studies miteinander verknüpft werden. Der Vortrag gibt Anregungen, wie politische Medienbildung rechtsextreme Feindbilder in digitalen Spielen erkennen und auflösen kann.

Literatur:
Möbus, B. 2023. «Würden wir die Rolle von Computerspielen nicht für wichtig erachten, würden wir nicht tun, was wir tun» – Die Identitäre Bewegung und das propagandistische Potential von Computerspielen am Beispiel von ‹Heimat Defender: Rebellion› Zeitschrift für praxisorientierte Radikalisierungsforschung zepRa, 2, 1, 4−35.
Möbus, B. (2024). „Spielend spalten?! Rechtsextreme Feindbilder Im Computerspiel Heimat Defender: Rebellion Im Spiegel Der Ideologie Der Identitären Bewegung“. MedienPädagogik 59 (Desinformation von Rechts): 23-53. doi.org/10.21240/mpaed/59/2024.04.09.X.
Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (2023). JIM 2023. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland: https://www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2023_web_final_kor.pdf
Pfahl-Traughber, A. (2005). «Antiamerikanismus», «Antiwestlertum» und «Antizionismus» – Definition und Konturen dreier Feindbilder im politischen Extremismus. In Feindbilder und Radikalisierungsprozesse, hrsg. v. Bundesministerium des Inneren (BMI), 23−41. Berlin: BMI.
Schlegel, L. (2023). «Super Mario Brothers Extreme? Wie Extremist:innen Videospiele und Gaming-Kultur für sich nutzen». Violence Prevention Network 12.04.2023. Zugriff: 13.05.2023. https://gaming-rechtsextremismus.de/themen/super-mario-brothers-extreme/.
Schulte, J., Mudder, L. & Rau, F. (im Druck) Digitale Desinformation und Rechtsextremismus. Eine Analyse aktueller Diskursthemen in deutschsprachigen Zeitschriften. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung 59 (Desinformation von Rechts
)

Vortrag 3: Unlearning Antifeminism on TikTok: Radikalisierungsprävention als gesellschaftlich relevante Aufgabe der Medienpädagogik

Michaela Kramer, Franziska Bellinger und Christian Noll (Universität zu Köln)

Auf der Social-Media-Plattform TikTok, die inzwischen als Raum für politische Meinungsbildung angesehen werden kann (Schmidt 2022), werden zunehmend antifeministische Inhalte als vermeintlich harmlose Lifestyle-Formate präsentiert (vgl. Wittenzellner & Klemm 2020, S. 324). Dieses Phänomen steht in engem Zusammenhang mit dem weltweiten Aufstieg rechtspopulistischer Akteur:innen, die u. a. traditionelle Geschlechterrollen, Frauenfeindlichkeit sowie Homo- und Transphobie als zentrale ideologische Elemente rechten Gedankenguts verbreiten. Das Projekt „Unlearning Antifeminism on TikTok: Open Educational Resources (OER) und Handlungsempfehlungen für die politische (Medien-)Bildung“ (gefördert durch die VolkswagenStiftung) nimmt diese Entwicklung genauer in den Blick. In Kooperation mit dem Verein mediale pfade zielt es auf die forschungsbasierte Entwicklung und Evaluation von präventiven Bildungsangeboten ab. Hierbei werden zwei zentrale Fragestellungen im Projekt adressiert: 1) In welcher Weise begegnen Jugendliche und junge Erwachsene Antifeminismus auf TikTok? 2) Wie können Präventionsangebote und Bildungsmaterialien gestaltet sein, um die Souveränität und Handlungsfähigkeit in Bezug auf antifeministische Inhalte auf TikTok zu stärken? Den Forschungsrahmen bildet der Design-Based-Research (DBR) Ansatz, der es ermöglicht, Forschung und Gestaltung systematisch miteinander zu verbinden, um praxisrelevante Probleme nachhaltig zu lösen (Schiefner-Rohs 2022). Im Rahmen des Vortrags sollen Ergebnisse aus den ersten beiden DBR-Phasen (Zielsetzung und Konzeption) zur Diskussion gestellt werden.

Literatur:
Schiefner-Rohs, M. (2022). Medienpädagogik und Design Based Research. In: Sander, U., von Gross, F. & Hugger, K.-U. (Hrsg.) Handbuch Medienpädagogik. Wiesbaden: Springer VS, S. 459-466. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23578-9_58.
Schmidt, J.-H. (2022). Zwischen Partizipationsversprechen und Algorithmenmacht. Wie soziale Medien politisches Handeln prägen. Erfurt: Landeszentrale für politische Bildung.
Wittenzellner, U. & Klemm, S. (2020). Pädagogik zu Antifeminismen. Bedarfe - Vorgehen – Schlussfolgerungen. In Henninger, A. & Birsl, U. (Hrsg.), Antifeminismen: ›Krisen‹-Diskurse mit gesellschaftsspaltendem Potential? (S. 323–336). Bielefeld: transcript.

Vortrag 4: Hass im Netz als umkämpftes Phänomen: Eine Kartierung des diskurspolitischen Terrains in Deutschland

Valentin Dander (HCHP, GMK) und Melina Honegg (GMK)

Der Beitrag nimmt seinen Ausgang von repräsentativen Studiendaten zu Wahrnehmung, Erfahrungen und Umgang mit Hass im Netz von Menschen in Deutschland ab 16 Jahren (Ickstadt und Bernhard 2024). Hass im Netz bezieht sich hierbei insb. aber nicht nur auf gruppenbezogen menschenfeindliche Handlungen und Inhalte ‚im Internet‘. Die Daten verweisen sowohl auf einen wahrgenommenen Anstieg von Hass im Netz und eine starke wahrgenommene Betroffenheit von Politiker:innen, Geflüchteten und Aktivist:innen als auch auf eine überdurchschnittliche Betroffenheit von jungen Frauen, Menschen mit (sichtbarem) Migrationshintergrund und queeren Menschen. Betroffene ziehen sich nach eigenen Angaben, mehr noch als der Durchschnitt der Befragten, aus politischen Online-Diskursen zurück, wodurch die Teilnahme gerade auch an politischen, demokratischen Online-Diskursen nach Interpretation der Herausgeber:innen eine problematische Verzerrung erfährt. Die Einstellungen und Einschätzungen der Befragten bezüglich des Umgangs mit Hass im Netz weisen zudem aussagekräftige Korrelationen mit der je eigenen politischen Verortung auf. Auf diese Weise erhalten die Ergebnisse einen doppelten politischen Charakter. Eine dritte Ebene ist zu ergänzen, wenn die Rezeption der Studie einbezogen wird: Anhand von Argumentationsmustern in einer kleinen Anfrage der AfD-Fraktion an die Deutsche Bundesregierung (Bundesregierung, 2024) sowie am Beispiel ausgewählter Online-Reaktionen können Widersprüche und Argumentationsmuster (neu)rechter Akteur:innen illustriert werden, wie Selbstviktimisierung, Zensurvorwürfe oder Wissenschaftskritik (Fielitz & Thurston, 2019; Strick, 2021). Anhand dessen kann dargestellt werden, wie das Diskursfeld zu „Hass im Netz“ als Thema politisch hervorgebracht wird.

Literatur:
Bundesregierung. (2024). Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Barbara Benkstein, Eugen Schmidt, Steffen Janich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD. Zur Studie „Lauter Hass – leiser Rückzug des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz“ (Drucksache 20/11043, nicht-lektorierte Vorabfassung). Deutscher Bundestag (20. Wahlperiode). https://dserver.bundestag.de/btd/20/110/2011043.pdf [Stand 2024-05-25].
Fielitz, M., & Thurston, N. (Hrsg.). (2019). Post-digital cultures of the far right: Online actions and offline consequences in Europe and the US (1. Auflage). transcript.
Ickstadt, L., & Bernhard, L. (2024). Lauter Hass – leiser Rückzug. Wie Hass im Netz den demokratischen Diskurs bedroht. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung (Das NETTZ, Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), Neue deutsche Medienmacher*innen, & HateAid, Hrsg.). https://kompetenznetzwerk-hass-im-netz.de/lauter-hass-leiser-rueckzug/.
Strick, S. (2021). Rechte Gefühle. Affekte und Strategien des digitalen Faschismus. transcript.

Poster Nein

Hauptautoren

Benjamin Möbus (Universität Vechta) Christian Noll (Universität zu Köln) Prof. Franco Rau (Universität Vechta) Prof. Franziska Bellinger (Universität zu Köln) Katrin Hünemörder (mediale pfade) Melina Honegg (GMK) Michael Otten (Universität Vechta) Michaela Kramer (Universität zu Köln) Prof. Valentin Dander (Hochschule Clara Hoffbauer Potsdam)

Präsentationsmaterialien

Es gibt derzeit keine Materialien.