19.–20. Sept. 2024
Universität Wien
Europe/Vienna Zeitzone
Das Programm ist online - die Anmeldung ist möglich.

Figurationstheoretische und empirische Annäherungen an Kommunikative KI-Systeme in der medienpädagogischen Sozialisationsforschung

Nicht eingeplant
30m
Institut für Bildungswissenschaft (Universität Wien)

Institut für Bildungswissenschaft

Universität Wien

Sensengasse 3a 1090 Wien
1 - 15/15 Vortrag vor Ort

Sprecher

Katrin PotzelProf. Rudolf Kammerl

Beschreibung

Automatisierte Kommunikation ist inzwischen selbstverständlicher Teil des Medienrepertoires von Individuen, welches sich als Gesamtheit der regelmäßig genutzten Medien einer Person beschreiben lässt (Hasebrink und Domeyer, 2012). Sei es der personalisierte Feed in Social Media-Anwendungen, die Nutzung von Assistenzsoftware wie Alexa oder Siri bis hin zum zuletzt am stärksten diskutierten Thema ChatGPT. Hinter all diesen aktuellen Medienentwicklungen steckt kommunikative KI, eine besondere Form von Medien, die über die reine Vermittlung von Informationen hinausgehen. Vielmehr können sie als digitale Plattformen betrachtet werden, die zunehmend die Rolle von digitalen Infra- & Metastrukturen annehmen und damit ein Angebot weiterer Medien schaffen – bspw. Software-Plattformen wie der Apple App Store oder der Google Play Store, Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Spiele-Plattformen wie Steam (van Dijck et al., 2018). Kommunikative KI kann Hepp et al. (2022) folgend sozialwissenschaftlich anhand dreier Kriterien charakterisiert werden: über den Zweck der Automatisierung von Kommunikation, die Einbettung in digitale Infrastrukturen und die Konstitution in einer Verschränkung mit menschlichen Praktiken (ebd., S. 8).
Vor diesem Hintergrund werfen wir in unserem Beitrag die Fragen auf, inwiefern kommunikative KI bereits in der medienpädagogischen Sozialisationsforschung berücksichtigt wird bzw. zukünftig Beachtung finden sollte. Darüber hinaus geht der Beitrag dem Ausmaß nach, in dem sich kommunikative KI bereits im Medienrepertoire von Kindern und Jugendlichen widerspiegelt und welche Bedeutung dieser von Heranwachsenden und Eltern für den Sozialisationsprozess zugeschrieben wird. In der öffentlichen Diskussion werden die Chancen und Risiken sehr unterschiedlich eingeschätzt. So wird beispielsweise einerseits postuliert, dass die gesteigerten Möglichkeiten, mit KI-Systemen Falsch-Informationen zu verbreiten, breite Bevölkerungsgruppen desorientieren könnten und letztlich das Vertrauen in die öffentliche Kommunikation und die Demokratie untergraben (Ukrow 2024). Andererseits wird das Potential von Chatbots als „geduldige ‚Sparringpartner‘ beim Lernen“ (Knaus 2023) hervorgehoben.
Den Fragen zur KI als Bestandteil des Medienrepertoires und dessen Bedeutung wird im Beitrag anhand von empirischen Ergebnissen des DFG-Projekts „ConnectedKids – Sozialisation in einer sich wandelnden Medienumgebung (ConKids)“ aus (medien-)sozialisatorischer Perspektive nachgegangen. Dafür werden Daten aus qualitativen Interviews mit 28 Familien aus dem Großraum Hamburg und Nürnberg, die mit Jugendlichen und je einem Elternteil im Sommer 2022 und 2023 stattfanden, genutzt. Das Sample teilt sich dabei in zwei Kohorten: die jüngeren Kinder waren in der aktuellen Erhebung etwa 11 Jahre und die älteren 15 Jahre alt. Die theoretische Rahmung bildet der Ansatz „kommunikativer Figurationen“, der den Figurationsansatz von Norbert Elias (2014) für die kommunikations- und medienwissenschaftliche Forschung fruchtbar macht (Hepp und "Communicative Figurations" research network, 2017). Dadurch können nicht nur die spezifischen Akteurskonstellationen sozialer Domänen wie der Familie, sondern auch deren Relevanzrahmen und kommunikative Praktiken untersucht werden. Die Berücksichtigung des familialen Medienensembles (Hasebrink und Domeyer, 2012) sowie der dynamischen Machtbalancen und Valenzen zwischen den Familienmitgliedern sind für die Untersuchung medienbezogener Sozialisationsprozesse von besonderer Bedeutung (Kammerl et al., 2021). Zudem möchte der Beitrag den Vorschlag von Hepp et al. (2022) aufgreifen und kommunikativen Figurationen, in die kommunikative KI eingebunden ist, als hybride Figurationen analysieren. Das Ziel ist es dabei nicht die Unterscheidung von Mensch und Maschine aufzulösen, sondern die besondere Form der individualisierten Kommunikation zwischen Individuen und kommunikativer KI beschreiben zu können. Diese abschließende Überlegung soll als Anregung für die Weiterentwicklung medienpädagogischer Forschung dienen und anhand des empirischen Datenmaterials aus Perspektive der Mediensozialisationsforschung diskutiert werden.

Literatur
Elias, N. (2014). Was ist Soziologie? (12. Aufl.). Beltz Juventa.
Hasebrink, U., & Domeyer, H. (2012). Media repertoires as patterns of behaviour and as meaningful practices: A multimethod approach to media use in converging media environments. 9(2).
Hepp, A., & “Communicative Figurations” research network. (2017). Transforming Communications. Media-related Changes in Times of Deep Mediatization. Communicative figurations working paper. “Communicative Figurations” research network, ZeMKI, Centre for Media, Communication and Information Research. https://doi.org/10.1007/978-3-319-65584-0_2.
Hepp, A., Loosen, W., Dreyer, S., Jarke, J., Kannengießer, S., Katzenbach, C., Malaka, R., Pfadenhauer, M., Puschmann, C., & Schulz, W. (2022). Von der Mensch-Maschine-Interaktion zur kommunikativen KI: Automatisierung von Kommunikation als Gegenstand der Kommunikations- und Medienforschung. Publizistik, 67(4), 449–474. https://doi.org/10.1007/s11616-022-00758-4
Kammerl, R., Lampert, C., Müller, J., Rechlitz, M., & Potzel, K. (2021). Mediatisierte Sozialisationsprozesse erforschen: Methodologische Implikationen. MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, 185–209. https://doi.org/10.21240/mpaed/jb16/2021.02.24.X
Knaus, T. (2023). Künstliche Intelligenz und Bildung: Was sollen wir wissen? Was können wir tun? Was dürfen wir hoffen? Und was ist diese KI? Ein kollaborativer Aufklärungsversuch. Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik. Vorab-Onlinepublikation. https://doi.org/10.25656/01:27904 (Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik (2023) 23, 42 S).
Ukrow, J. (2024). Kinder- und Jugendmedienschutz und Künstliche Intelligenz – Herausforderung für den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV)? Stand und Reformüberlegungen unter besonderer Beachtung generativer KI und unter Berücksichtigung des geplanten Gesetzes über künstliche Intelligenz der EU [Gutachten im Auftrag der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)]. https://www.kjm-online.de/fileadmin/user_upload/KJM/Publikationen/Studien_Gutachten/KI_Gutachten_2024.pdf
Van Dijck, J., Poell, T., & De Waal, M. (2018). The Platform Society (Vol. 1). Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/oso/9780190889760.001.0001

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