19.–20. Sept. 2024
Universität Wien
Europe/Vienna Zeitzone
Das Programm ist online - die Anmeldung ist möglich.

Gesellschaft 12 (SE 1): Jugend und soziale Medien – Epistemische Krise und die gesellschaftliche Verantwortung der Medienpädagogik

Nicht eingeplant
30m
Institut für Bildungswissenschaft (Universität Wien)

Institut für Bildungswissenschaft

Universität Wien

Sensengasse 3a 1090 Wien
2 - 15/15 Vortrag Online

Sprecher

Johannes Gemkow (Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt) Sonja Ganguin (Universität Leipzig)

Beschreibung

Verschiedene Aspekte, wie die Mediennutzung, politische Meinungsbildung, sozialpsychologische Faktoren, aber auch extremistische Rekrutierungsversuche deuten auf die besondere Relevanz von Jugend im Kontext von Populismus, Fake News und alternativen Fakten auf sozialen Medien.
Dieser Beitrag diskutiert, auch anhand von Ergebnissen aus Interviews mit Jugendlichen über deren Wahrnehmung von Populismus auf sozialen Medien, welchen Faktoren für eine epistemische Krise sprechen und wie die Medienpädagogik darauf reagieren kann. Den Hintergrund dieser Studie bildet die Forschung am Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt in Deutschland durch die Antragssteller.

Theoretisch liegen diesem Beitrag die Phänomene ‘epistemische Krise’, ‘Populismus’ und ‘Polarisierung’ zugrunde. Unter ‘epistemische Krise` fällt der Wandel des Wissens durch die Digitalisierung. Dafür werden die Begriffe Populismus, Fake News, Verschwörungsnarrative und alternative Fakten voneinander abgegrenzt und die besondere Rolle der sozialen Medien für deren Entwicklung als sozial-technologische Informationsökologie in den Fokus genommen. Mit Polarisierung muss man zwischen verschiedenen Konzepten von Polarisierung unterscheiden. Im Kontext von sozialen Medien sind dabei insbesondere die ideologische und affektive Polarisierung interessant. Mit der ideologischen Polarisierung ist das Auseinanderdriften von Einstellung entlang bestimmter Sachthemen (z.B. Migration, Klimawandel) gemeint, während affektive Polarisierung auf die zunehmende wechselseitige Ablehnung verschiedener sozialer Gruppen verweist. Bezüglich des Populismus fand vor allem die Definition von Cas Mudde Verbreitung. Mudde definiert Populismus als „ideology that considers society to be ultimately separated into two homogeneous and antagonistic groups, ‘the pure people’ versus ‘the corrupt elite’, and which argues that politics should be an expression of the volonté générale (general will) of the people“ (Mudde 2004, 543). Zur Anpassungsfähigkeit von Populismus gehört, dass er häufig als „dünne Ideologie“ definiert wird, das heißt, es bedarf einer weiteren, häufig politischen Ideologie, damit der Populismus sich entfalten kann. Zentral für diesen Zugriff ist die Unterteilung in verschiedene Akteure: Volk, Regierung bzw. Eliten – und die Populist*innen als Heilbringende. Im Sinne dieser Definitionen trägt Populismus ein polarisierendes Element (Volk vs. Elite) in sich und besetzt polarisierte Themen, was zu Synergieeffekten zwischen beiden Phänomen führt.
Die qualitativen Interviews mit Jugendlichen und deren Auswertung geben einen tiefgehenden, aber nur ausschnitthaften Einblick in den Umgang Jugendlicher mit Populismus und deren Polarisierung. Die Interviews wurden mit dem theoretischen Kodieren nach Corbin und Strauss (2015) ausgewertet. Mit dieser Methode wird das Material deutlich offener aufgebrochenen, um generelle Muster und Zusammenhänge hervorzukehren.
Mit der Auswertung zeigen sich vier grundlegende Ergebnisse. Erstens verfügen Jugendliche – unabhängig von edukativen Bemühungen – über differenziertes Wissen über Populismus.
Zweitens zeigen die Jugendlichen in ihren routinisierten Medienhandeln keine Bestätigung der sogenannten Filter Bubble.
Der Grund für die Konsensorientierung der Jugendlichen könnte, drittens, in der These der sozialen Homophilie legen, nachdem sich das soziale Netzwerk der Jugendlichen (auch) online aus Menschen speist, zu denen ein Wertekonsens besteht (‚value homophily‘). Dieser Wertekonsens konnte bereits in den USA als politisch motiviert nachgewiesen werden (Colleoni, Rozza, & Arvidsson, 2014).
Viertens geben die Ergebnisse Hinweise für eine affektive Polarisierung. Damit ist die Ablehnung politisch Andersdenkender gemeint (Helbling & Jungkunz 2020). Das Wissen über Populismus und die soziale Homophilie zeigen, dass es den Jugendlichen wichtig erscheint, sich nicht nur mit den Werten für etwas zu identifizieren, sondern vor allem zu wissen, wem man nicht nahesteht.
Die Ergebnisse und breite Diskussion geben Anlass auf das gesellschaftliche Potential einer kritischen Medienpädagogik, die sich in ihrem breiten Arsenal auf die veränderte politische Wirklichkeitskonstruktionen einstellen muss.

Poster Nein

Hauptautoren

Johannes Gemkow (Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt) Sonja Ganguin (Universität Leipzig)

Präsentationsmaterialien

Es gibt derzeit keine Materialien.